Seit Beginn der historischen Forschungsarbeit um das KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße war klar, dass die Erinnerungen von Zeitzeugen eine wesentliche Quelle darstellen würden. Es waren vor allem ehemalige Häftlinge, die nach dem Abzug der russischen Truppen 1994 das Haus besuchten und auf seine Geschichte hinwiesen. Einige von ihnen werden hier vorgestellt.

Die erste, kurzfristig erarbeitete Ausstellung 1997 stützte sich wesentlich auf Aussagen dreier ehemaliger Häftlinge, die nach Jahrzehnten des Schweigens oder bestenfalls Andeutens endlich von ihrer Zeit im Keller des Gefängnisses erzählen konnten.

Diese Ausstellung wirkte wie ein Magnet auf weitere 25 deutsche Leidensgenossen, die sich bereit erklärten, ausführliche Interviews für das damals geplante Buch zu geben. Die fünfköpfige Arbeitsgruppe erarbeitete sich zunächst Theorie und Techniken des offenen Interviews und eine Struktur für die mehrere Stunden dauernden Gespräche. So sollten die Zeitzeugen möglichst chronologisch über folgende Stationen ihres Lebens erzählen:

  • ihre Kindheit und Jugend, Mitgliedschaft in NS-Organisationen und den Kriegseinsatz – also bewusst auch über die Zeit vor 1945;
  • die Tätigkeit von Kriegsende bis zur Verhaftung;
  • die Umstände der Verhaftung, mögliche erste Gefängnisaufenthalte vor der Leistikowstraße;
  • die Verhöre und den „Prozess“ in der Leistikowstraße;
  • die Haftbedingungen, also Zellen, Latrinen, Karzer usw.;
  • die weiteren Haftwege in der SBZ (Speziallager), DDR (Gefängnisse) und Sowjetunion (Gefängnisse, Arbeitslager und Sammellager zur Rückführung);
  • die Entlassung und das weitere Leben in der BRD bzw. DDR, Entschädigungen, Rehabilitation und Umgang mit der eigenen Haftgeschichte bis heute.

Die Interviewer machten sich auf den Weg und besuchten die heute 70- bis 85-jährigen Männer und Frauen in ganz Deutschland. Alle Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und nach den genannten inhaltlichen Schwerpunkten ausgewertet. Die meisten ehemaligen Häftlinge stellten Dokumente zur Verfügung, die ihre Haft illustrieren.

Die Auswertung ergab eine ziemlich hohe Übereinstimmung der Aussagen in Bezug auf das KGB-Gefängnis, die es erlaubte, den Alltag in der Haft und bei den Verhören in seiner Uniformität wie Vielfalt (was die Behandlung der Gefangenen durch das Wachpersonal angeht) zu skizzieren. Schwierigkeiten hatten viele der ehemaligen Häftlinge, die Zellen, in denen sie eingesessen hatten, auf einem Grundriss des Hauses genau zu kennzeichnen. Manche unter den Häftlingen kursierende Anekdoten wurden von mehreren wortwörtlich gleich erzählt. Die Aussagen einiger weniger Zeitzeugen, die sich von denen anderer signifikant unterschieden, wurden nicht berücksichtigt.

Aufgrund der Interviews ließen sich keine auch noch so vorsichtigen Schätzungen über eine Gesamtzahl an Häftlingen in bestimmten Jahren und über das Ende der Internierung deutscher Häftlinge in den 1950er Jahren machen. Noch bruchstückhafter ist das Wissen über die folgenden Jahrzehnte, als im Gefängnis offenbar nur sowjetische Armeeangehörige inhaftiert waren. Witold Abankin ist der einzige russische Häftling, mit dem anlässlich seines Besuchs im Mai 2000 ein Interview geführt werden konnte. Alle anderen Informationen über sowjetische Häftlinge beruhen auf Fragebögen und Rehabilitationsurkunden, die die Gesellschaft MEMORIAL in Russland gesammelt hat. Genauere Aufschlüsse über die quantitative Belegung des Gefängnisses wie über die Anklagepunkte und Urteile lassen sich nur durch Dokumente des KGB erwarten.

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