Exkurs:

Strafvollzug in der SBZ/DDR

Viele Gefangene kamen nach ihrer Verurteilung zunächst in sowjetische Internierungs- bzw. Speziallager in der SBZ/DDR. Von dort wurden sie entweder in Arbeitslager der Sowjetunion deportiert oder in andere Gefängnisse in der SBZ/DDR verlegt. Letztere übergab die sowjetische Führung 1950 dem Strafvollzug der DDR.

Sowjetische Speziallager bzw. lagerähnliche Gefängnisse in der SBZ /DDR, Frühjahr 1945 bis Anfang 1950

Sowjetische Speziallager

Die Einrichtung sowjetischer Speziallager in der SBZ/DDR wurde durch den Befehl Nr. 00315 des Volkskommissars für Inneres, Lawrentij Berija, vom 18. April 1945 veranlasst. Internierte und teilweise auch verurteilte Deutsche sollten nicht mehr zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, sondern „an Ort und Stelle“ in Isolation gehalten werden. Trotz dieses Befehls wurden auch in den folgenden Jahren weiterhin Deutsche in die Sowjetunion deportiert.

Lager oder lagerartige Gefängnisse, die zum großen Teil aus der Zeit des NS-Regimes übernommen wurden, befanden sich an zwölf Orten der SBZ. Sie unterstanden bis Juli 1945 den Abteilungen „Spezlager“ der Fronten der Roten Armee, danach als Abteilung „Spezlager des NKWD/MWD der UdSSR auf dem Territorium Deutschlands“ direkt Generaloberst Iwan Serow und ab Mitte 1948 der Hauptverwaltung Lager (GULag) des MWD in Moskau.

Nach Angaben der zentralen Lagerkartei waren vom 15. Mai 1945 bis zum 1. März 1950 insgesamt 157.837 Personen in der SBZ/DDR inhaftiert. Darunter befanden sich 34.706 Bürger der Sowjetunion und 460 weitere Ausländer. Wissenschaftlich fundierte Schätzungen geben die Zahl der Lagerinsassen mit bis zu 189.000 an.

Für die Häftlinge war der Lageralltag in der SBZ/DDR ein bedrückendes Erlebnis, verurteilt zu untätigem Verharren und leerem „Dahinvegetieren“. Nur ein Teil der als „Spezkontingent“ bezeichneten Internierten hatte Gelegenheit zu einer sinnvollen Arbeit, in der Regel für den Eigenbedarf der Lager bzw. der sowjetischen Lagerorgane.

Vor allem in den harten Wintern der Jahre 1946 und 1947 spitzten sich unter den Bedingungen des Lagers die existentiellen Nöte und Probleme der Gefangenen zu und führten zu zahlreichen Todesopfern. Tausende Menschen waren auf engstem Raum zusammengeballt. Sie litten unter Hunger und Kälte, Krankheiten, Epidemien und unzureichender medizinischer Versorgung. Einen wesentlichen Einfluss auf die hohe Sterberate in diesem Zeitraum hatte auch eine einschneidende Kürzung der Nahrungsmittelrationen Anfang November 1946.

Die Auswertung der erstaunlich vollständigen Sanitätsakten der Lager ergab für die Zeit von Frühjahr 1945 bis Anfang 1950 eine Zahl von insgesamt 43.035 Toten, davon 42.889 Deutsche.

Eine erste Entlassungsaktion befahl die Führung der SMAD nach Überprüfung der Interniertenzahl im März 1948. Im Zuge dieser Maßnahme erlangten 27.682 Angehörige des Spezkontingents die Freiheit wieder. Die vollständige Auflösung der Lager erfolgte erst Anfang 1950. Aus den noch bestehenden drei Lagern Bautzen, Buchenwald und Sachsenhausen wurden mehr als 15.000 Personen entlassen. Insgesamt 14.000 Strafgefangene wurden in den Strafvollzug der DDR übergeben. Darunter befanden sich 3.432 Internierte, die deutsche Sondergerichte 1950 in den Waldheimer Prozessen verurteilten.

Speziallager Bautzen

Zeitraum der Existenz als sowjetisches Speziallager: Mai 1945–Februar 1950
Verwendung vor Mai 1945: Zuchthaus
Verwendung nach Februar 1950: Zuchthaus Bautzen I
ab 1990 Justizvollzugseinrichtung
Kapazität: 8.000
Gesamtbelegung: 27.285
davon ca. 600 Frauen und Mädchen
Durchschnittliche Belegung: 6.500
Sterbefälle: ca. 3.000
Deportationen in die
UdSSR:
4.000–8.650
Entlassungen 1948: 1.138
Entlassungen 1950: 809
Lagerleiter: Oberstleutnant/Oberst S. J. Kasakow
Häftlingskategorien: - Internierte
- SMT-Verurteilte (ab Mitte 1948 nur noch männliche Strafgefangene mit einem Strafmaß ab 15 Jahren)

Sowjetischer Plan des Speziallagers Bautzen vom April 1949

     
Auf Leinen geschriebene Totenlisten, die ein Häftling aus dem Lager Sachsenhausen herausschmuggeln konnte.
     
Versorgungsnormen für die Insassen der Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone vom 1. November 1946. Die Mehrheit der Häftlinge erhielt die Rationen für 'nicht Arbeitende'.

DDR-Gefängnisse

Vor der Überführung der Gefangenen aus den aufgelösten sowjetischen Speziallagern in den Strafvollzug der DDR mussten Anfang 1950 zunächst die Anstalten in Luckau, Torgau (Fort Zinna) und Untermaßfeld von Häftlingen des Justizministeriums geräumt werden.

Die ca. 1.300 verurteilten Frauen kamen in das Zuchthaus Hoheneck. Das Lager Bautzen ging am 7. Februar 1950 in die Verwaltung der Volkspolizei über. In den 50er Jahren befanden sich von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) Verurteilte auch in den Vollzugseinrichtungen Brandenburg-Görden, Halle, Waldheim, Coswig, Magdeburg, Cottbus und Leipzig sowie im Haftkrankenhaus Klein-Meusdorf und im der Staatssicherheit unterstehenden „Arbeitslager X“ in Berlin-Hohenschönhausen.

Entsprechend einem Beschluss des Politbüros des ZK der VKP/b (später KPdSU) vom 31. Oktober 1949 sollte die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) den Arrest der von SMT-Verurteilten im DDR-Strafvollzug und vorfristige Entlassungen überwachen.

Von 1950 bis 1954 kam der Großteil der von SMT verurteilten Deutschen unmittelbar zum Haftvollzug in Zuchthäuser der DDR. Verurteilte, die angeblich eine besonders große „soziale Gefahr“ darstellten, wurden weiterhin in die UdSSR deportiert.

Am 25. August 1953 befanden sich insgesamt 11.603 SMT-Verurteilte in den entsprechenden Einrichtungen der DDR. Die meisten der SMT-Verurteilten in der DDR erlangten im Laufe der 50er Jahre durch Gnadenerlasse oder die Aussetzung der Strafvollstreckung ihre Freiheit wieder.

Nach dem Tode Stalins 1953 kam es neben der Freilassung von Hunderttausenden sowjetischen GULag-Häftlingen auch zur Überprüfung der Urteile gegen deutsche Bürger. Anfang Januar 1954 verfügte das Oberste Gericht der UdSSR die vorzeitige Beendigung des Strafvollzugs von 6.143 SMT-Verurteilten aus Zuchthäusern der DDR.

Im September 1954 befanden sich noch 5.628 deutsche Bürger, die zwischen 1945 und 1953 von sowjetischen Gerichten verurteilt worden waren, in Zuchthäusern der DDR.

Am 5. Oktober 1954 übergab die UdSSR auch die verbliebenen SMT-Verurteilten in die rechtliche Zuständigkeit der DDR. Nach Unterstellung der Häftlinge unter die Jurisdiktion der DDR-Regierung kam im Sommer 1955 ein allgemeiner Straferlass des Präsidenten W. Pieck zustande, der jedoch nur eine geringe Zahl von Entlassungen nach sich zog.

Freilassungen, die den Großteil aller noch in DDR-Zuchthäusern befindlichen SMT-Verurteilten betrafen, fanden erst 1956/57 statt.

Die letzten Gruppenentlassungen von SMT-Verurteilten erfolgten schließlich durch Amnestien 1960 und 1964.

Als die Volkspolizei ... das Lager Bautzen übernahm, wurden jegliche
Entlassungen sofort eingestellt. In dramatischer Weise ... kehrte
mit dem Wachpersonal der Vopos eine erneute Brutalität gegenüber den
Häftlingen ein. Schikanen und Schläge, Misshandlungen und Karzerstrafen
waren plötzlich an der Tagesordnung.
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