Anlass und Grund
Die Mehrheit der deutschen Verhafteten wurde
aufgrund einer Denunziation oder einer Verdächtigung
festgenommen.
Es genügte der Kontakt zu einer dem sowjetischen
Geheimdienst verdächtigen Person. Das konnte
ein Familienangehöriger, ein Bekannter oder ein
Arbeitskollege sein.
Desgleichen waren Kontakte nach Westdeutschland
oder West-Berlin, etwa zu Presse und Rundfunkstationen,
Anlass für Verhaftungen. Auch die
Weigerung, mit dem sowjetischen Geheimdienst
zusammenzuarbeiten, führte zu Festnahmen.
Eine NS-Vergangenheit war dagegen ein eher
zweitrangiger Verhaftungs- und Anklagegrund.
Jugendlichen Häftlingen wurde in einigen Fällen
neben anderen Anklagepunkten ihre angebliche
Zugehörigkeit zum „Werwolf“ vorgeworfen.
Ein Verhaftungsgrund, der offenbar nur einer Minderheit
der Inhaftierten zur Last gelegt wurde,
bestand in regimefeindlichen Aktionen, zum Beispiel
dem Verteilen von antisowjetischen Flugblättern.
Umstände
Die Verhaftungen erfolgten gezielt zu Hause, an
der Arbeitsstelle und auf der Straße. Vielen war im
Moment ihrer Festnahme gar nicht bewusst, was
geschah, da sie unter einem harmlosen Vorwand
mitgenommen wurden.
Willkürliche Verhaftungen fanden bei Passkontrollen
an der Sektorengrenze in Berlin oder durch
sowjetische Militärpatrouillen statt.
„Als ich in Potsdam am Bahnhof ankam, hat mich
niemand verhaftet. Doch dann bin ich von zwei
Offizieren aus der Straßenbahn geholt worden.
Die warteten auf mich an meiner Haltestelle. Wie
ich die gesehen habe, wollte ich schnell wieder
zurück, aber da hatten sie mich schon ‘rausgezogen“.
(Maria Fricker)
Verhaftung von Sowjetbürgern
Die sowjetischen Häftlinge in der Leistikowstraße 1
gehörten dem Militär an. Ein häufiger Grund für die
Verhaftung war Desertion. Anlass bot auch der
Verdacht auf „antisowjetische Agitation“, „Gruppenbildung“
oder „Umsturzversuch“.
Für den Entschluss zu desertieren spielten verschiedene
Motive eine Rolle: dem unmenschlichen
Soldatenalltag in der Sowjetarmee zu entkommen
wie auch der Wunsch, in den Westen zu gelangen.
Nicht alle in der Leistikowstraße inhaftierten
sowjetischen Militärangehörigen waren zuvor in
Potsdam stationiert. Während sich manche von
ihnen hier als Untersuchungsgefangene befanden,
waren andere bereits verurteilt und warteten auf
ihren Transport in die Lager der Sowjetunion.