Untersuchungsmethoden
Ab 1947 diente das Haus der sowjetischen Spionageabwehr
als Untersuchungsgefängnis.
Seit dieser Zeit wurden sowohl hier als auch im
Nachbargebäude angebliche Werwölfe oder vermeintliche
und tatsächliche Spione verhört.
Neben dem Vernehmungsoffizier und dem Gefangenen
war eine russische Dolmetscherin oder ein
russischer Dolmetscher anwesend, die allerdings
selten für eine exakte Übersetzung sorgten.
Verhört wurden die unter ständigem Schlafdefizit
leidenden Gefangenen meist nachts.
Der Rhythmus der Verhöre war Teil einer umfassenden
Zermürbungstaktik. Manchmal fanden
wochenlang überhaupt keine Verhöre statt, zeitweise
hingegen jede Nacht. Oft mussten die
Gefangenen, schon zum Verhör geholt, noch
stundenlang warten oder dem Vernehmungsoffizier
beim Essen zusehen. Auch wurden ihnen
ihre in den Hof gebrachten Verwandten gezeigt,
ohne dass ihnen gesagt wurde, was mit diesen
passieren würde.
Die Verhöre dauerten jeweils viele Stunden. Am
Ende mussten die Gefangenen ein vom Vernehmungsoffizier
angefertigtes Protokoll unterzeichnen.
Einige Häftlinge sind brutal misshandelt worden.
Dabei wurden Schläge, Quälereien mit brennenden
Zeitungen und das erzwungene Sitzen auf einer
Flasche mit Kronkorkenverschluss bei heruntergelassenen
Hosen angewendet. Einige Häftlinge
wurden bis zu fünf Tage in einen Karzer gesteckt,
eine etwa einen Quadratmeter enge Zelle, in der
sie auch nachts nur stehen durften und nichts zu
trinken bekamen. Manche Häftlinge berichten von
einem überhitzten Karzer, andere von einem, in den
knöcheltief Wasser eingelassen wurde.
Geständnisse
Fast jeder Häftling erlag der zermürbenden Behandlung
und unterschrieb die ihm vorgelegten
Protokolle. „Ich war froh, als ich den roten Faden
erkannt hatte, auf den die hinaus wollten“, erzählt
einer. Ein anderer: „Irgendwann erfindet der Gefangene
eine Legende, lernt sie wie ein Gedicht
auswendig und fragt die Zellenkameraden: ‚Stimmt
es jetzt?‘, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln.“
Da belastendes schriftliches Material oder andere
Indizien fast nie existierten, blieb die Grundlage für
eine Verurteilung ein Geständnis. Verurteilt werden
konnte in diesen Fällen nur, wer sich selbst
beschuldigte oder von anderen ausreichend
beschuldigt wurde. Die Untersuchungsoffiziere
versuchten deshalb, Zellenspitzel anzuwerben.
„Die Methoden haben sich eigentlich immer
wiederholt: Drohung oder Schmeichelei mit
Zigaretten und Essen, was Sie meistens nicht
kriegten... Es wurde Ihnen permanent Angst
gemacht, oder Sie standen bloß ’rum – drei, vier
Stunden für nichts. Dann wurde Ihnen gedroht,
dass Sie erschossen werden. Dann schlug der
einem unvermittelt ins Gesicht, ohne dass Sie
wussten, warum... In diesem Keller bist du nach
einer gewissen Zeit so fertig, da bist du bereit
zuzugeben, dass deine Mutter gar nicht gelebt
hat. Also ich war froh, dass ich einen Punkt fand,
wo ich denen was zugeben konnte, bloß um da
’rauszukommen.“ (ein ehemaliger Häftling)
„Mein Untersuchungsrichter haute mal mit dem
Lineal mit der scharfen Kante ins Gesicht oder
ins Genick... Und jede Nacht hat er mich ’rausgeholt.
Und wie er mich so lange genervt hat, da
hab ich mir gedacht, na, dem wirst du mal was
erzählen. Da hab ich dem erzählt, ich habe 1948
bei Plauen russische Offiziere über die Grenze
gebracht und der ist aufgesprungen und war
glücklich, weil er endlich was hört, und er hat 20
DIN-A4-Seiten vollgeschrieben, und als er fertig
war morgens um vier, da hat er nur noch gesagt:
‚Und jetzt noch unterschreiben.‘ Da habe ich
gesagt: ‚Einen Moment, unterschreiben tu ich das
nicht. Wenn bei Ihnen nur ein kleines bisschen
Ordnung herrscht, können Sie nachprüfen, dass
ich 1948 noch in Kriegsgefangenschaft war.‘
Der Nächste hat unheimlich zugeschlagen.“
(Irmfried Hans-Joachim Kermeß)